SPD Emmendingen

Anmerkungen der SPD-Fraktion anlässlich der Verabschiedung des Haushaltsplanes 2009

Veröffentlicht am 31.01.2009 in Fraktion

Thomas Fechner, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat wies in seiner Haushaltsrede auf die Auswirkungen und Risiken der allgemeinen Wirtschaftslage für Emmendingen hin.

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

"die Zeiten werden wieder härter" - "die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession, über deren mögliches Ausmaß selbst Experten nur spekulieren können" - "die schlimmste Finanzkrise seit 80 Jahren" - solche Zitate fliegen uns seit Wochen um die Ohren, dass einem schwindlig werden kann. Gier, Arroganz und Selbstgefälligkeit - keine andere Branche ging in den vergangenen Jahren mit dem Vertrauen ihrer Klientel so fahrlässig um wie das international tätige Geldgewerbe (und damit sind ausdrücklich nicht unsere solide wirtschaftenden Regionalbanken gemeint). Spätestens in den 90-er Jahren wandel-te sich der seriöse Bankier zum renditefixierten Banker (manche sagen auch "Bankster") mit zum Teil astronomischen Gehältern, die dem Normalsterblichen nur noch als Schamlosigkeit vorkommen können. Wir erinnern uns an Begriffe wie "shareholder value" (alles für das Wohl der Aktionäre!) oder "Humankapital" für Arbeitskräfte. Wir erinnern uns auch an den Ausspruch eines bekannten Bundespolitikers, der bereits im Mai 2005 die Invest-mentbanken und Hedgefonds als "asoziale Heuschrecken" bezeichnete und damit einen Aufschrei der Empörung auslöste; und punktgenau zum großen Zusammenbruch im Herbst letzten Jahres erschien noch das Buch eines Finanzexperten (der mit der Steuererklärung auf einem Bierdeckel) mit dem wahrhaft visionären Titel "Mehr Kapitalismus wagen". Man fragt sich, wie sämtliche Kontrollmechanismen dieser "notleidenden Banken" offensichtlich komplett versagen konnten. Ein Quantum Trost kann da allenfalls ein weiteres Zitat bieten, das einem bekannten deutschen Bankier (nicht Banker!) namens Hermann Josef Abs zugeschrieben wird. Er fragte einmal, was der Unterschied sei zwischen einer Hundehütte und einem Aufsichtsrat? "Die Hundehütte ist für den Hund, und der Aufsichtrat ist für die Katz'!" Dass aus den USA nicht nur Gutes kommt, das wussten wir ja seit dem Amtsantritt von George W. Bush, und nach diesen fürchterlichen acht Jahren mit diesem fürchterlichen Präsidenten können wir nur hoffen, dass nun in der Weltwirtschaftsmacht wieder andere, bessere Werte und Regeln gelten werden.

Wie stark auch unsere Stadt von dieser globalen Krise betroffen sein wird, kann heute niemand abschätzen; sicher ist, dass diese Weltwirtschaftskrise auch Auswirkungen auf Emmendingen haben wird. Die kurze Phase der finanziellen Entspannung, die wir in den letzten Jahren erleben konnten, dürfte vermutlich bald vorbei sein. Vor diesem Hintergrund kamen die Entscheidungen zur kostenintensiven Umgestaltung der Innenstadt mit den begleitenden Maßnahmen gerade noch zum richtigen Zeitpunkt, denn machen wir uns nichts vor: die milliardenschweren Konjunkturpakete müssen wir alle früher oder später teuer bezahlen.

Was den Haushaltsplan 2009 betrifft, so will ich im Folgenden nicht endlose Zahlenkolonnen aufzählen, sondern stattdessen auf einige wichtige Eckdaten kurz eingehen. Bei unveränderten Grund- und Gewerbesteuersätzen müssen wir knappe zwei Millionen Euro aus den Rücklagen entnehmen und für eine Million Euro Kredite aufnehmen, um den Haushalt ausgleichen zu können und um eine Zuführungsrate in Höhe von ebenfalls zwei Millionen Euro zu erwirtschaften. Die vorgesehenen Grundstückserlöse sind mit rund dreieinhalb Millionen Euro veranschlagt, wobei dies immer ein Unsicherheitsfaktor ist. Nach den Finanzplanung wird die Pro-Kopf-Verschuldung von derzeit Null Euro im Laufe der nächsten vier Jahre auf rund 220 Euro steigen - eine zwar bedenkliche Entwicklung, die wir angesichts der Fülle der bevorstehenden Maßnahmen trotzdem mittragen.
Für uneingeschränkt richtig halten wir die - für unsere Verhältnisse gewaltigen - Investi-tionen in den Bereich Bildung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen unserer Stadt; der größte Brocken soll dabei in Umbau- und Sanierungsmaßnahmen mehrerer Schulen fließen. Insbesondere die Markgrafenschulen warten seit Jahren auf eine umfassende Instandsetzung, und speziell in der Markgrafen-Realschule müssen Schüler und Lehrkräfte unter Bedingungen lernen bzw. unterrichten, für die der Ausdruck "Zumutung" passt. Die SPD-Fraktion hatte dafür ja schon bei den letzten Haushaltsberatungen eine wesentlich bescheidenere Summe zur Verfügung stellen wollen. Damals wurde unser Antrag "mangels Finanzierungsmöglichkeiten" abgeschmettert; nun wird der siebenfache Betrag einstimmig beschlossen, und mit der Finanzierung klappt's auch. Natürlich sind wir froh über diesen kräftigen Schub, nur hätten wir das schon ein Jahr früher haben können. Im Übrigen bleibt abzuwarten, inwieweit die Stadt bei diesem Projekt von den angekündigten Investitionsmitteln profitieren wird; im Hinblick auf die Parteizugehörigkeit unseres OB sind wir da aber sehr zuversichtlich….

Bei den Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche sind wir auf dem richtigen Weg, obwohl die Landesregierung den Städten und Gemeinden nach wir vor eine faire Lasten-teilung verweigert. Vollständig zurückgezogen hat sich das Land aus der Mitfinanzierung der so wichtigen Schulsozialarbeit. Die Betreuungsangebote bei den Ganztagsschulen dürfen sich nicht in erster Linie auf den Einsatz von Jugendbegleitern stützen, die in manchen Fällen hilfreich und sinnvoll sein können. Sie dürfen aber immer nur eine Ergänzung und eine Bereicherung schulischer Angebote sein. Wir sehen das Land deshalb in der Pflicht, zusätzliches pädagogisches Personal für den Betrieb an Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen.

Herausragend war im vergangenen Jahr sicherlich die endgültige Beschlussfassung über die Erweiterung der Fußgängerzone in der Innenstadt. Alle Beteiligten haben Kompromisse eingehen müssen, und genau das ist ja auch ein Prinzip einer demokratischen Gesellschaft. Nach Abschluss der laufenden Umbauarbeiten geht es darum, diese veränderte Situation als Chance zu begreifen, um die Attraktivität unseres durchaus sehenswerten Stadtkerns weiter zu steigern, und den Startschuss dazu soll das Einweihungsfest mit dem 1. Emmendinger Stadtlauf im Juni geben unter dem Motto "Emmendingen läuft…". Ein Gewinn ist die erweiterte Fußgängerzone für Einheimische und Besucher allemal, wovon sich hoffentlich auch die Skeptiker bald überzeugen lassen.

Von weit reichender Bedeutung ist auch die Einführung des Emmendinger Familienpasses, der auf unsere Initiative zurückgeht. Damit ist ein Anfang gemacht, einkommens-schwachen Familien die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, und das ist besser als nichts. Der Kreis der Antragsberechtigten soll unserer Überzeugung nach vergrößert werden und nicht nur die Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV), Sozialhilfe und Wohngeld umfassen. Im Grunde müssten alle, die monatlich weniger als 900 Euro netto haben, was als offizielle Armutsgrenze gilt, einen Anspruch auf diesen Pass haben. Uns ist bewusst, dass einer Stadt wie Emmendingen finanziell Grenzen gesetzt sind, und das wird in den kommenden Jahren wieder sehr deutlich zutage treten. Dennoch halten wir diese Form der städtischen Sozialpolitik für unverzichtbar, auch und gerade wenn die Zeiten wieder schwieriger werden sollten.

Ein überaus gelungenes Europafest, die erfolgreiche Leistungsschau und zahlreiche andere Aktionen haben im letzten Jahr dazu beigetragen, unsere Stadt lebendiger und attrakti-ver zu gestalten; dazu gehört auch der Ausbau des City-Bus-Systems. Wir erwarten, dass nach den sinnvollen Investitionen in der Emmendinger Kernstadt auch unsere Ortschaften nicht vergessen werden; Ansätze dafür sind ja in Kollmarsreute, Mundingen und Wasser durchaus erkennbar. Leider noch nicht zufrieden stellend gelöst ist das Problem der Nahversorgung im Stadtzentrum, und wir alle hoffen deshalb auf eine zügige Realisierung des Bauvorhabens auf dem Areal Merk.

Im vergangenen Jahr wurde vieles angepackt, und wir danken der gesamten Stadtverwaltung mit Ihnen, Herr Oberbürgermeister, an der Spitze für die geleistete Arbeit. Das Klima ist prima - zumindest nach außen hin. Unser Dank gilt auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise für unsere Stadt eingesetzt haben.

Die Zeiten werden wieder härter - aber Pessimismus ist gewiss nicht angebracht, sondern Realismus und Augenmaß.

Die Fraktion der SPD wird der Haushaltssatzung 2009 und den übrigen Teilen der Beschlussvorlage mehrheitlich zustimmen.

Thomas Fechner

SPD-Fraktionssprecher
27.01.2009

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